Frank Rentmeister aus Borken und Bahman Pournazari aus Siegen-Wittgenstein gehen ihre Aufgabe mit großem Engagement an. Frank Rentmeister (57) vertraut auf seine Erfahrung, auf mehr als 40 Jahre bei der Polizei. „Das Bauchgefühl ist einer der wichtigsten Gradmesser in vielen Lebensbereichen“, weiß der Pressesprecher der Kreispolizei Borken. Auf ihr Bauchgefühl sollten sich auch Polizistinnen und Polizisten verlassen, wenn sie den Verdacht hegen: Da stimmt etwas nicht bei meiner Kollegin oder meinem Kollegen. Merkwürdige Äußerungen, seltsame Lektüre, komische Symbole – neigt er oder sie zum Extremismus?
An Rentmeister können sich die Polizistinnen und Polizisten im Kreis Borken künftig wenden, wenn sie konkrete Hinweise oder nur ein seltsames Gefühl haben. Er zählt zu den Extremismusbeauftragten, die seit Mai in allen 50 Polizeibehörden des Landes neben ihrem normalen Dienst diese neue Aufgabe übernehmen.
Genau wie Bahman Pournazari (36) bei der Kreispolizei Siegen-Wittgenstein. „Das Themenfeld ist komplex und dynamisch“, sagt der Regierungsbeschäftigte. Der Extremismus verändere sich andauernd und bringe ständig neue Konstellationen hervor. Die Allianzen, die sich gerade bei den Corona-Demonstrationen gezeigt hätten, seien Beispiele dafür.
Anfang März hatte Innenminister Herbert Reul im Innenausschuss des Landtags die Berufung der Extremismusbeauftragten angekündigt. Hintergrund war der Fall eines Verwaltungsbeamten des Polizeipräsidiums Hamm, der Mitte Februar wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer rechtsterroristischen Vereinigung in Haft genommen wurde.
Die Extremismusbeauftragten sollen bei Verdachtsfällen die Anlaufstellen für ihre Kolleginnen und Kollegen sein – und das jenseits der hierarchischen Strukturen. Sie sollen Vertrauenspersonen in doppeltem Sinne sein. Einerseits werden sie von den Behördenleitern berufen und sind diesen damit besonders verpflichtet. Andererseits brauchen sie das Vertrauen der Beschäftigten, damit diese sich an sie wenden, falls sie irgendwo Hinweise auf Extremismus erkennen.
„Das, was ich aus meiner Biografie mitbringe, ist das Entscheidende“, sagt Pournazari über seine Qualifikation für die Aufgabe. 1991 floh er mit seiner Familie aus dem Iran nach Deutschland. Als Einwanderer erlebte er Anfeindungen. Kickboxer, Sozialpädagoge, in der polizeilichen Präventionsarbeit mit Drogen, Gewalt und Radikalismus befasst – Pournazari weiß, wovon er spricht, wenn es um die Ränder der Gesellschaft geht. „Ich habe einen Weg gefunden, wie ich unaufgeregt und sachlich damit umgehe“, sagt er.
„Man muss nicht jedes Symbol und jeden Spruch kennen“, betont Rentmeister. „Ich weiß aber, an wen ich mich wenden kann.“ Ihm geht es auch darum, die Kolleginnen und Kollegen für das Thema Extremismus zu sensibilisieren. „Die öffentliche Wahrnehmung hat bei dem Thema zugenommen“, beobachtet er.
In den Fällen von Extremismus bei der nordrhein-westfälischen Polizei sieht er „kein strukturelles Problem“: „Das sind Einzelfälle, allerdings schlimme Fälle. Es ist gut, dass da so konsequent gehandelt wird.“
Seit 2011 erfasst das Landesamt für Aus- und Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei (LAFP) die Personen, gegen die sich ein Extremismusverdacht richtet. Bis Ende 2019 gab es insgesamt zehn Verdachtsfälle, in den ersten fünf Monaten dieses Jahres waren es 15. „Dies ist einerseits Ausdruck und zugleich Beleg für unser gemeinsames Vorgehen und unsere Sensibilität“, erklärte LAFP-Direktor Michael Frücht, „andererseits aber auch im Wesentlichen auf zwei Komplexe in Hamm und Aachen in diesem Jahr mit jeweils mehreren Betroffenen zurückzuführen, in der Spitze mit fünf Mitarbeitern.“
Für Reul ist der „Rechtsextremismus mittlerweile eine der größten Gefahren für die Demokratie“. Der Minister gestand, dass er sich die Dimension des Problems bis vor rund einem halben Jahr noch nicht hätte vorstellen können. Er erinnerte unter anderem an die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke vor einem Jahr.